Ich nehme die nächste Fähre. Auf geht’s
in die unendlichen Weiten der Thassa. Edginton und Brundisium waren wirklich
sehr ruhige, ereignislose Städte, auch wenn ich stets gastfreundlich empfangen
wurde. Pilger sind anscheinend in jeder Stadt willkommen und gern gesehene
Gäste. Was würden mir die nächsten Orte wohl bringen? Die frische, salzige
Meeresluft weht über meinen kurz geschorenen Kopf und ich schließe die Augen,
nehme den Duft von Freiheit auf. Das Meer ist stark, schon seit jeher hege ich
einen Respekt vor den unendlichen Wassern, auch wenn ich auf dieser Reise zum
ersten Mal in meinem jungen Leben ein solches zu sehen bekomme, geschweige denn
mit einer Fähre drüberfahre. Das Wasser ist tief und dunkel. Unheimlich und
doch faszinierend. Aber was ich noch mehr fürchte, als die unbekannte Tiefe der
See sind die Unfreien, die Piraten, die auf der Thassa mit ihren Raubzügen ihr
Unwesen treiben. Ihr Gebiet erstreckt sich von den südlichen Bergen bis hin zu
den nördlichen Seen, weshalb ich vorsichtig war und gleich etwas mehr Tarsk für
die Fahrt ausgab. Sicher ist sicher. Die Reise über den Golfstrom geht an Port
Kar vorbei. Port Kar ist eine dicht bevölkerte, herrschsüchtige und verrufene Stadt
am Voskdelta. Durch die überherrschende Piraterie wird sie auch als „Geißel der
Thassa“ bezeichnet. Ich bemerke, dass das Schiff wohl zwei oder drei Fuß schneller
an Port Kar vorbeifährt.
Nach etlichen Tagen – ich kämpfe bis
heute noch mit Reiseübelkeit, würde es aber nie zugeben – erreichen wir endlich
die Insel zu Siwa. Für jeden Pilger, dessen Muskeln von den langen Reisen
schmerzen und deren Rücken geschädigt vom schweren Gepäck sind, denen
kann ich nur raten die nächste Fähre nach Siwa zu nehmen. Ein Kurort sondergleichen.
Die warmen Quellen, der gute, selbst angebaute Kalana und die weichen Hände der
Sklavinnen sind ein Genuss nach all den Strapazen. Selbst als gestandener Kerl weiß man eine Pause
dieser Art zu schätzen. Außerdem ist die Landschaft traumhaft schön, hohe Berge
umrahmen die kleine Insel und von den zahlreichen, hügeligen Wiesen hat man
einen wundervollen Ausblick. Habe ich Sardar bereits erreicht? Bin ich bei den Priesterkönigen angekommen? Ich werde hier wohl noch ein paar Tage verbringen, ehe ich weiterreise.
Amira, ein liebenswertes, fürsorgliches Weib, führt mich rum |
Der Ausblick ist unbeschreiblich schön |
Nach der ausgiebigen Entspannung in den letzten Tagen geht es mir besser. Nicht nur mein Körper, auch mein Geist ist ganz erholt. Die
Bewohner sind nett, wenn auch rar. Die Natur dominiert und zwischen den
einzelnen Gebäuden liegen einige Fußschritte. Während ich noch im heißen
Thermalbad liege und mich entspannt über die Wasseroberfläche treiben lasse,
male ich mir Sardar aus. Wie wird diese Stadt wohl sein? Was werde ich dort
finden? Mein Selbst? Ich grüble noch eine Weile nach, dann steige ich aus dem
Wasser. Meine Haut ist bereits schrumpelig geworden. Wie lange ich wohl heute
wieder in diesem wunderwirkenden Wasser gelegen habe? Jedenfalls fühle ich mich
entspannter denn je. Und als mein Blick am Steg auf meinen Stab fällt, packt
mich das schlechte Gewissen. So langsam sollte ich doch wieder weiterreisen und
meine Zeit nicht in der Entspannungsoase – mitten auf einer kleinen Insel auf
der Thassa – verschwenden. Wenige Ahn später verlasse ich das Dorf, auf meinen
entspannten Schultern lastet wieder das Gewicht der Pilgerei.
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