Sonntag, 27. November 2016

Die Pilgerfeier

Vor wenigen Tagen traf ich eine Entscheidung. Ich lege meinen Pilgerstab ab, um ihn den Göttern zu opfern, damit sie mir wohl gesonnen gegenübertreten mögen, wenn ich sie um den Anspruch auf Nasty Palen erbitte. Hoffentlich ist mir das Schicksal gut zugeneigt, denn es war und ist sicherlich keine leichte Entscheidung fortan eine Frau an seiner Seite zu haben. Insbesondere eine ehemalige Regentin, die Haus und Hofstaat neben sich mitbringen würde und jetzt schon mehr als kompliziert handelt. Ich betrachte den Stab, die Ringe. Gold, Silber, Kupfer. Als ich ihn damals in die unsicheren Hände gedrückt bekam, da war der Stab leer und nichtssagend. Nun spricht jeder Ring seine eigenen Geschichten. Ich schmunzle, bin aber auch erschöpft und sogar ein bisschen verwirrt, gerade wenn ich an meine wohl wichtigste Begegnung, Nasty Palen, denken muss. Nun werde ich für sie den Stab niederlegen. Zuvor aber reise ich nach Sardar, denn keine Pilgerreise ist beendet, ohne das Erklimmen dieses Gebirges.

Also packe ich meine Sachen und reise, zurück durch die Nördlichen Wälder, aus der leidlichen Kälte, Richtung Sardar. Ich bin ganz für mich alleine und das ist auch gut so. Nie auf der ganzen Pilgerreise fühlte ich mich so nachdenklich wie auf dieser letzten Reise als Pilger. Der Stab in meiner Hand scheint leicht zu vibrieren. Ob er spürt, dass wir uns bald trennen müssen? Ich streiche über das Holz und denke daran, wie ich ihn auf den Runenberg in Helvegen bringen werde, um ihn zu opfern. Wie sehr man doch an so einem Stück Holz hängen kann, wenn es der einzige, stetige Begleiter durch ganz Gor gewesen ist... Die Reise nach Sardar erscheint wie im Fluge zu vergehen. Das Reisen bin ich ja schon gewohnt, aber meine Gedanken fressen mich täglich fast auf. Erst die Müdigkeit hindert mich davor auf den letzten paar Passang zu rätseln, ob dies hier wirklich der Sinn des ganzen ist. Und ob nicht vielmehr der Weg das Ziel selbst war? Als ich am Tempel zu Sardar ankomme, wird mir erklärt, dass bald eine Zeremonie stattfinden wird, an der die angekommenen Pilger ihre Urkunde erhalten werden.

Sardar, das Ziel eines jeden Pilgers
Und ehe ich es mich versehe stehe ich vor dem gewaltigen Sardar-Gebirge. Sie sind nicht etwa optisch gewaltig, da gibt es noch viel höhere oder gefährlichere Bergketten. Nein, diese Berge sind gewaltig erfüllt mit Frieden, Macht und allem, was sich ein Pilger je erträumen würde, wenn er an diesem Ort steht. Erlösung - eine unbeschreibliche Kraft fällt von meinen Schultern und sagt mir: Endlich! Du hast Sardar erreicht! Ich spüre förmlich die Anwesenheit der Priesterkönige, noch näher kommt kein Goreaner an sie heran. Hier ist der Ursprung all jenes, was in Gor leibt und lebt. Mein Körper erschaudert vor Ehrfurcht, als ich mir bewusst bin, dass ich gerade vor dem größten Wissenden Gors stehe, der die Gebete empfängt und weitergibt.

Der Wissende betet zu den Priesterkönigen

Eine kleine Gemeinde lauscht den seltsamen Worten des Wissenden

Die Zeremonie ist langwierig, aber sehr einleuchtend. Hätte mir zu Anfang jemand erzählt, dass ich mich seelisch so bereinigt fühlen würde, ich hätte nur gelacht. Hier, umgeben von dieser Göttlichen Anwesenheit, fühle ich mich wie ein Nichts. Wie viel Bedeutung hat mein Leben als Goreaner? Ich hebe den Kopf, als mein Name gerufen wird und stolziere hinauf zu einem Mann der Blauen Kaste, welcher mir die Urkunde zum Peregrinus erreicht. Jetzt ist es offiziell und ich habe erfolgreich gepilgert. Mein Dorf würde stolz auf mich sein!

Ich erhalte die Urkunde

Oh, mein Dorf. Fast hätte ich dieses vergessen. Sie würden bald erfahren, dass ich meine Pilgerreise beendet habe. Aber ich würde nicht zurück kehren, denn mein Leben hatte einen neuen Sinn gefunden. Ich habe ein neues Selbst gefunden. Zwischen Alkohol und Sklaven, langen Fußmärschen und Flussfahren, durch die heißeste Tahari und den kältesten Norden - ich war so blind davor mein Ziel zu erreichen, dass ich das wesentliche Ziel in meinem Herzen nicht wahrnehmen konnte. Jetzt, wo ich die Urkunde in der Hand halte, wird mir bewusst, dass sich durch eine Pilgerreise alles verändern konnte.

In Sardar wird aus dem Pilger ein Peregrinus

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