Dienstag, 28. November 2017

Die Flucht

Kurz bevor ich die Ohnmacht verliere, reißt mich der Schrei wieder ins Bewusstsein. Ich liege auf dem Rücken. Meine Haut brennt überall. Das Brüllen des Kurs mischt sich mit anderen, viel menschlicheren Schreien. Ich sehe hinauf an den Kanten der Klippen, die in die Schlucht führen, und erkenne Schatten, die eilig hin und her laufen oder in Deckung gehen. Ich höre ein vertrautes Surren von Pfeilen, die pfeiffend die Luft entzweien, bis sie ihr Ziel im dunklen Fell des Kurs gefunden haben. Der Pfeilhagel regnet auf das Monster hinab und während es rasend vor Wut um sich schlägt, kann ich mich schwerfällig und blutend von ihm wegschleifen.

Ich höre Wasser rauschen. Noch nicht ganz sicher, ob ich tot oder lebendig bin - angesichts der Schmerzen plädiere ich ja doch auf mehr lebendig als tod - schaffe ich es sogar noch mich auf die Beine zu hiefen. Mein Herz schlägt bis zum Hals. Wankend, humpelnd und keuchend schleppe ich mich weiter, die Schlucht entlang. Sie ist endlos... Als hätten die Götter meinen letzten Wunsch erfüllt erkenne ich eine Abzweigung. Doch gerade, als sich die Abzweigung für mich als rettenden Ausgang entpuppt (die Schlucht endet an einem großen See), bebt hinter mir die Erde unter den trabenden Massen des Kurs. Er hat wohl entdeckt, dass ich geflohen bin. Mich zu finden ist für ihn angesichts des starken Geruches nach Blut nicht schwer. Ich drehe mich nicht mehr um, sondern nehme meine letzte Kraft zusammen. Ich habe tatsächlich noch eine Chance dem Kur zu entkommen. Die Hoffnung, die ich schon nach dem ersten Schlag aufgeben wollte, kehrt zurück und erfüllt mich mit neuem Lebenswillen. Wie ein Wahnsinniger sprinte ich auf das Ufer zu, links und rechts neigen sich die Klippen immer mehr, bis ich an das Ende der Felsspalte gelange. "Menschenpack! Du wirst mir nicht entkommen!" Er holt aus und während ich mit einem Hechtsprung ins Wasser falle, trifft mich eine Kralle ein letztes Mal am Bein.

Ich lande hart auf der Wasseroberfläche. Schlaff sinkt mein Körper ins kühle Nass, bis ich merke, dass ich langsam untergehe und kräftig gegen den Widerstand trete. Ich nehme einen tiefen, schmerzvollen Atemzug, die klare Luft strömt durch meine Lungen. Ich höre den Schrei voller Wut, voller Frustration. Der Kur steht hilflos am Ufer, eingesperrt durch die Kliffhänge und setzt keinen Fuß ins Wasser. Das war meine rettende Idee, denn Kurii meiden das Wasser mehr als alles andere.

Jetzt, wo ich in Sicherheit bin, spüre ich die Erschöpfung. Auch der unsägliche Schmerz kehrt zurück, das kalte Nass prickelt unangenehm auf meiner Haut und färbt sich rötlich um mich herum. Mir fällt es schwer über Wasser zu bleiben. Ich versuche auf das andere Ufer zu schwimmen, doch gerade, als ich dort ankomme, geben meine Kräfte nach und ich sacke auf dem sandigen Boden zusammen. Ich gebe nach und falle in endlose Tiefen.

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