Dienstag, 28. November 2017

Das Untier aus der Schlucht

Ich weiß noch nicht, was sich hinter dem Grollen verbirgt. Aber ich weiß, wann es an der Zeit ist die Beine in die Hände zu nehmen und zu laufen. Genau das tue ich jetzt auch. Das Adrinalin pumpt durch meinen Körper, lässt mich Schmerz und Benommenheit vergessen. Wieder durchquert mich die Frage, ob ich in die richtige Richtung oder aber in meinen sicheren Tod laufe? Das, was mich gewittert hat, ist kein harmloses Giani. Auch kein Sleen gibt solche Laute von sich und diesem wäre ich selbst bewaffnet und in bester körperlicher Verfassung weit unterlegen gewesen. Nein, das ist weitaus furchteinflößender als ein Larl im Blutdurst. Ich wage es nicht mich umzudrehen, aber ein markerschütterndes Brüllen verrät mir, dass es hinter mir her ist und mich mühelos einholt. Ich verlangsame meinen Sprint und drehe meinen Oberkörper leicht nach hinten. Eine mindestens zwei Meter große, tiefschwarze Gestalt erhebt sich hinter mir in angriffslustiger Gebärde und füllt den engen Felsgang aus. Das animalische Maul in blutdurstiger Gier verzerrt, das tiefschwarze Fell im puren Jagdtrieb aufgestellt. Ein Schaudern, wie ich es noch nie in meinem Leben gespürt habe erfasst mich, als ich diesem abgrundtief hässlichen, pelzigem Monster direkt in seine großen, rötlichen Augen starre. Ein, vielleicht zwei Momente vergehen so, dann springt das Wesen mit einem Ruck vor und wirft mich durch die Erschütterung, die hunderte Pfund schwerer Körper verursacht, zu Boden. Die gefährlichen Klauen sind nur noch um haaresbreite von mir entfernt!

Ich habe schon als kleiner Junge von den Kurii gehört. Aber begegnet bin ich noch keinem, geschweige denn aus nächster Nähe. Lasst mich euch sagen, wenn das mein Tod sein soll, so ist es das Furchtbarste, was ich in meinem letzten Atemzug hätte sehen und riechen können. Das riesige Maul neigt sich mir entgegen und es stinkt nach einem Berg voller Leichen. Ich schließe fest die Augen, erwarte einen Schmerz oder zumindest einen schnellen Tod. Dann tut es etwas, was ich nicht erwartet hätte. Es spricht... "Ein Widerling von Mensch bist Du, duftest dennoch so süß nach Blut... Mich hungert es und doch langweilt es mich so sehr, dass ich noch etwas mit Dir spielen möcht..." Die Stimme donnert so laut, dass Geröll von den glatten Felswänden abbröckelt. Der Kur sog die Luft tief durch seine geschlitzen Nüstern ein. Ich spüre seinen heißen, feuchten Atem auf meiner nackten Haut. Er stöhnt auf und leckt sich die Lefzen. Er müsse nur einmal zuschnappen, er könnte mindestens meinen Kopf in einem Stück verschlingen. Jetzt, wo er mir so nahe ist, erkenne ich die zwei Reihen messerscharfer Zähne. Ich wage es kaum zu atmen, als das Monster seine krallenbesetzte Pranke hebt und mich mit einem mühelosen Schlenker quer gegen die Wand schleudert. Mir raubt es den Atem. Spielt es mit mir? Ich fühle mich wie eine nackte, wehrlose Puppe. Warmes Blut strömt aus meiner Brust. Noch bevor ich mich aufraffen kann, höre ich sein dröhnendes, höhnisches Lachen und spüre erneut, wie mein Körper aufgeschlitzt wird. Ich schließe fest die Augen. Was ist schlimmer als ein schneller Tod? Ein langsames, qualvolles und so demütigendes Ende wie das meine mir bevorsteht. Jeder Jäger meines Volkes träumt davon einen Kur erlegen zu können. Doch ich, ich werde entblößt und entwaffnet von ihm zu Grunde gerichtet. Er spielt mit mir, bis ich sterbe. Jetzt ist es um mich geschehen! Wenn ich Glück habe, frisst er meinen leblosen Körper, dann wird niemand erfahren, was passiert ist. Ob mich überhaupt jemand vermissen wird? Wo ich doch nur ein Pilger ohne Ehre, ein Landstreicher bin?

Die Dunkelheit übermannt mich so schnell, wie sie zuletzt gegangen war. Ich höre nur noch dumpf den Freudenschrei, den der Kur instinktiv ausstößt, bereit mich zu verschlingen... Oder war es doch ein Schrei des Schmerzes?

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen