Ich betrete die Oase der zwei Scimitare, die mir bekannte
südlichste Wüstenstadt mitten in der Tahari. Mein Magen grummelt und mein Durst
treibt mich weiter, obgleich jeder Schritt zu viel für meinen Körper erscheint.
Die braun gebrannte Haut glänzt durch den salzigen Schweißfilm. Ich folge den
aufgereihten Steinplatten, welche höchstwahrscheinlich den Weg angeben sollen.
Die Luft wird etwas angenehmer, Palmen und andere exotische Bäume und Pflanzen,
die mir unbekannt sind, werfen angenehmen Schatten auf den sandigen Boden. Hier
und da kämpfen sich grüngelbe Grasbüschel aus dem unnachlässigen Sand. Wer auch
immer die Schönheit aus diesem verdammt heißen Ort findet, den beneide ich. Es
müssen zumindest sehr viele sein, denn die Stadt erscheint mir auf den ersten
Blick recht groß. Ein paar Schritte weiter, bisher liegt die Umgebung in einer
angenehmen und zeitgleich beängstigenden Totenstille, erkenne ich einen See –
die Oase. Das glitzern auf der Wasseroberfläche unterscheidet sich deutlich von
der flackernden Hitze einer Fata Morgana. Ich lasse all meine Erschöpfung los
und renne zielgenau in das Wasser. Es ist zwar wärmer als ich es von einem See
gewohnt war, dennoch tut mir die Nässe auf meinem Oberkörper nach so langer Zeit
mehr als gut. Gierig tauche ich meine großen Hände unter die Wasseroberfläche
und hebe sie dann wie eine Schale geformt an meine Lippen, um in großen Zügen
das Süßwasser (glücklicherweise!) in mich aufzunehmen. Ich saufe wie ein Vieh.
Gesättigt von dem Wasser und bis auf die Unterkleidung durchnässt schaue ich
mich um. Ich entdecke noch viel mehr Pflanzen rund um das Wasser, deren Art und
Nutzen ich nicht einordnen kann, hier und da blitzt zwischen dem ungewohnt satten
Grün ein Zelt oder ein Gebäude aus Sandstein hervor. Ein Steg führt in die
Mitte des Sees und auf einem Plateau steht ein ganzer Zeltkomplex. Die einzig
große Wasserstelle weit und breit stellt natürlich den Mittelpunkt allen Lebens
dar und so reiht sich alles so dicht an dem Ufer entlang, wie es praktisch und
ästhetisch möglich ist. Das Zelt mitten auf dem See erscheint mir daher ein wichtiger,
zentraler Ort zu sein.
Die südlichste Oasenstadt - Der Startpunkt meiner bevorstehenden Pilgerreise |
Sicherheitshalber fülle ich auch meinen Wasserschlauch nach,
denn Wasser wird für mich kostbarer denn je. Direkt hinter mir, unter einer
Gruppe großer, schattenspendender Palmen entdecke ich eine Hängematte. Wie
beruhigend dieser kleine Ort auf mich wirkt. Die Stadt scheint immer noch
menschenleer, vermutlich steht die Sonne noch zu hoch am Himmel und um diese
Zeit bevorzugt jeder mit einem einigermaßen funktionierenden Verstand einen
schattigen Platz in den eigenen vier Wänden. Also gönne ich mir ebenso eine
Pause unter den Palmen in der Hängematte. Verdammter Boskmist, ist das heiß!
Der komische Kautz entpuppt sich als freundlicher Musikant - seinen Namen kann ich bis heute nicht aussprechen |
Die Hitze setzt mir zu und so tut mir ein kleines Nickerchen wirklich
gut. Leider ist es nicht von langer Weile, da ich schon Stimmen höre. Eine
wirklich ulkige Gestalt reißen mich aus meinem traumlosen leichten Schlaf. Er
sieht aus, als wäre in dem Schlafgewand meiner Mutter unterwegs und trägt ein
seltsam gebundenes Tuch um den Kopf gewickelt. Da ich bisher nur von den
Taharibewohnern gehört habe, aber niemals jemanden selbst zu Gesicht bekam,
gehe ich mal davon aus, dass alle hier so rumlaufen. Kein Wunder, dass die sich
nicht aus ihren Häusern trauen. Ich muss mir ein Prusten verkneifen, obgleich
der – wie sich herausstellt – Musikant wirklich freundlich und offen wirkt.
Gleich zu Beginn meiner Reise stelle ich fest, dass Pilger ein gesondertes
Privileg zu haben scheinen, welches mir wirklich zu Gute kommt. Für Kost und
Logie wird also gesorgt und so lasse ich mich von dem Hilfsbereiten Wüstenbewohner,
der sich übrigens … Giröx de … Chat au nöff… (zweiter unterdrückter Pruster)
oder so ähnlich nennt, nicht zwei Mal bitten und ins Teehaus einladen. Ich
stelle also fest, dass das wichtige, große Zeltkonstrukt im See das Teehaus
darstellt. Eindeutig ein wichtiger Punkt, wo alles zusammenfindet. Allerdings
stelle ich auch fest, dass sich hier im südlichsten Süden das Teehaus von der
Taverne unterscheidet. Es gibt nämlich separiert noch eine Taverne, die ich
sicherlich im späteren Verlauf meines Aufenthaltes noch kennen lernen werde.
Erstmal will ich mir dieses interessante Konstrukt eines Zeltes auf dem Wasser
schwebend näher anschauen.
In dem Zelt sitzend, ausgestattet mit erfrischendem
Essigwasser und einer gemütlichen Sitzgelegenheit, deren weiche Kissen meinem
schmerzenden Hinterteil sehr entgegenkommt, und einigen Sklavinnen, lerne ich
nicht nur verschiedene Persönlichkeiten, wie die Händlerin der Stadt, die
Tatrix Ronja oder den Rarius Ben kennen, sondern weiß auch ihre unglaubliche
Gastfreundschaft zu schätzen. Ich erzähle ihnen einen wenig missmutig von
meiner jüngst auferlegten Mission als Pilger und der Suche nach dem „Wahren Ich“
und klinge dabei vermutlich so dumm und unwissend, als würde ein Nordmann vom Wüstensand
erzählen. Ich finde auch heraus, dass es diese Oasenstadt schon mehr als 12
Märkte lang gibt und das auch gefeiert werden wollte. Das freundliche Angebot
solange zu bleiben, um das Fest miterleben zu können, nehme ich gerne an.
Schließlich muss ich auch meinen Körper noch ein wenig auf die lange Reise
vorbereiten; was ich insgeheim als kleine Ausrede nehme, um meine anstrengende
Reise noch etwas hinauszuzögern.
Als ehemals sehr erfahrener Pilger erzählt mir der Musiker von der abschließenden Pilgerfeier, in der alle erfolgreichen Pilgerreisenden geehrt und ausgezeichnet
werden, damit sich die Mühe auch bezahlt macht. Hierfür muss ich in den Tempel zu Sardar reisen, dort, wo die Priesterkönige in den Bergen verweilen. Während ich noch in Gedanken darüber schwelge, wie ich die Urkunde entgegennehme, beginnt eine
Sklavin, deren feurig rotes Haar wie flüssige Lava von den Schultern fällt, zu
tanzen. Die Kleine, die scheinbar dem Musiker gehört, stimmt ein Lied mit ein.
Und so beruhige ich mich bei dem ansehnlichen Anblick des erhitzen
Sklavenfleisches in einem überraschend klimatisierten Zelt… Scheinbar noch ein
Grund, warum das Teezelt auf dem Wasser gebaut wurde.
Mit der eben erwähnten Händlerin, die sich übrigens kurz und
knapp Sammy nennt, verstricke ich mich in eine Interessante Diskussion über die
Schleierpflicht. Irgendwie scheinen es die Südländer aus dem südlichsten Teil
vom Süden nicht ganz so eng zu nehmen. Kein Wunder, wenn ein Weib eine ganze
Stadt regiert. Da kann das Sprichwort: „Ausnahmen bestätigen die Regel“ ja nur
gang und gebe sein. Im weiteren Verlauf erfuhr ich sogar von einer ganzen
Likörsammlung. Die Sorten klingen meinen Geschmacksknospen fremd… Datteln,
Pflaumen, Zitronen, Feigen. Die darauffolgende Likörverkostung war köstlich und
ergiebig. Aus was man doch alles Likör verarbeiten konnte… Erstaunlich. Die
Auswirkungen der hochalkoholischen Getränkeproben bekomme ich schnell zu
spüren. Erschlagen von den vielen Eindrücken, Düften und der Wärme und den
süßlichen Geschmack von dem Dattellikör auf der Zunge begebe ich mich wieder
hinaus in die mittlerweile schwülwarme Nachtluft. Ich möchte schlafen,
irgendwo, wo ist mir egal. Und so lasse ich mich wieder in die gute Hängematte
unter den Palmen fallen, obgleich mir eine Herberge angeboten wurde. Rotzevoll
schlafe ich schneller ein, als ich meine Augen schließen kann. Die Folgen des
hohen Alkoholgehaltes dieses klebrig süßen Likörs würden sich am nächsten
Morgen bemerkbar machen, wenn ich mich aus der schaukelnden Hängematte mit
brummendem Kopf auf die Beine kämpfe.
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